Jerusalem bedeutet:
«Stadt/Gründung des Friedens». Dieser Name steht seit Gründung der Stadt im
Widerspruch mit der Realität, denn keine Stadt ist so umkämpft. Doch gerade deshalb
ist «Friede» dort nötig. Wir sind aufgefordert, für den Frieden Jerusalems zu
beten, gerade weil es ein Konfliktherd ist: «Wünschet Jerusalem Glück! Es möge
wohl gehen denen, die dich lieben! Es möge Friede sein in deinen Mauern und
Glück in deinen Palästen!» (Ps 122,6-7).
Stadt des geheimnisvollen
Königs
Jerusalem wird erstmals in
1. Mose 14,18 erwähnt. Dort begegnet Abraham Melchisedek, dem
König von Salem (vor ca. 4000 Jahren). Damals gehörte Salem zum
Gebiet von Kanaan, das wiederum eine Provinz des Pharaonen-Grossreiches
Ägypten war.
Stadt des Königs David
Bis zur Zeit Davids (vor ca.
3000 Jahren) wurde die Stadt Jerusalem von den Israeliten nicht
eingenommen, sondern stand unter der Herrschaft der Jebusiter.
David eroberte und prägte
diese Stadt (1.Chr 11,4-7.9; 2.Sam 5,6-10). Da sie zu keinem
Stammesgebiet des Volkes Israel gehört hatte, war sie ideal als
neue Hauptstadt, um dem Volk eine neue gemeinsame Identität zu geben.
Später holte David die Bundeslade mit dem Gnadenthron nach Jerusalem (2.Sam
6; 1.Chr 13-15).
Stadt des lebendigen Gottes
967 v.Chr. baute König
Salomo den Tempel als Ort der Begegnung des Menschen mit dem
lebendigen Gott. Bei der feierlichen Tempeleinweihung lesen wir,
dass Gott sich selbst in einer einzigartigen Weise mit dieser Stadt verbunden
hat. «Aber Jerusalem habe ich erwählt, dass mein Name dort sei,
und David habe ich erwählt, dass er über mein Volk Israel König sei» (2.Chr
6,6, vgl. auch 2.Chr 5,11-14; 6,5; 7,11.12.15). Gottes Gegenwart erfüllte
den Tempel. Das ist es, was Jerusalem so besonders macht und es von
allen anderen Städten der Welt unterscheidet.
Stadt des jüdischen Herzens
Die Blütezeit Jerusalems
erreichte unter David und Salomo, vor rund 3000 Jahren, ihren
absoluten Höhepunkt. Seither ist Jerusalem das Herzstück jüdischer
Kultur, Tradition und Religion. Obwohl die Stadt 17 Mal zerstört wurde,
ist sie dem jüdischen Volk allerorts immer in Erinnerung geblieben. Auch
in nachbiblischer Zeit blieb Jerusalem stets Gegenstand der Sehnsucht. Das
wichtigste Fest im Judentum, das Passahfest, wurde und wird jedes Jahr
mit dem Wunsch abgeschlossen: «Nächstes Jahr in Jerusalem!» Selbst am
schönsten Tag des Lebens, der Hochzeit, wird an Jerusalem gedacht, wenn
als fester Bestandteil der Trauungszeremonie ein Glas zertreten wird.
Diese symbolische Handlung soll an die Zerstörung des Tempels in
Jerusalem erinnern.
Stadt der Untreue und
Niederlage
586 v.Chr. wurde Jerusalem
von den babylonischen Truppen Nebukadnezars eingenommen. Die
Stadt wurde niedergerissen und das Herzstück, der Tempel, wurde
vollkommen zerstört. Jeremia fragt Gott in dieser Situation: «Hast
du denn Juda verworfen oder einen Abscheu gegen Zion? Warum hast du
uns denn so geschlagen, dass uns niemand heilen kann?» (Jer 14,19). Warum
half Gott nicht mehr? Weil Gott sich von Jerusalem zurückzog, wurde es
schutzlos. Um der Schuld gegen Gott willen wurde die Stadt zerstört (Jer
14,17-22; 15,1). Gottes Antwort ist: «Wer will sich denn deiner
erbarmen, Jerusalem? Wer wird denn Mitleid mit dir haben? Wer
wird denn kommen und fragen, ob es dir gut geht? Du hast mich
verlassen, spricht der Herr, und bist von mir abgefallen; darum habe ich
meine Hand gegen dich ausgestreckt, um dich zu verderben; ich bin des
Erbarmens müde» (Jer. 15,5-6).
Stadt der jüdischen
Sehnsucht
Jerusalem blieb jedoch
Zentrum der Sehnsucht. Der Prophet Daniel, der nach Babylon
deportiert wurde, konnte seine Heimat nicht vergessen. Wir lesen
von ihm: «Und nun, unser Gott, höre das Gebet deines Knechtes und sein
Flehen. Lass leuchten dein Antlitz über dein zerstörtes Heiligtum um deinetwillen,
Herr! Neige dein Ohr, mein Gott, und höre, tu deine Augen auf und
sieh an unsere Trümmer und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist.
Denn wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre
Gerechtigkeit, sondern auf deine grosse Barmherzigkeit» (Dan 9,17-18).
Stadt des Messias
Jerusalem wurde der Ort, an
dem der Messias lehrte, gekreuzigt wurde, auferstand und in den
Himmel auffuhr – und wohin Er nach Seiner Voraussage am Ende der
Zeit wieder zurückkommen wird (Sach 14,1ff.).
Jerusalem wurde die
Geburtsstätte der ersten messianisch-jüdischen Gemeinde. Zehntausende
jüdische Menschen kamen in der Folgezeit zum Glauben. Und Jerusalem
war auch der Ort, von dem die Botschaft des Messias in die ganze
Welt hinausging!
Seit 2000 Jahren – die hin
und her geworfene Stadt
Prophetisch wies Jesus auf
die Zukunft Jerusalems (Lk. 19,41-48; 21,25) hin. Die
angekündigte Zerstörung Jerusalems ereignete sich 70 n.Chr. Dabei starben
über 1,1 Millionen Juden, 100.000 wurden als Sklaven nach Rom deportiert.
Nachdem Jerusalem dem
Erdboden gleichgemacht worden war, liess Kaiser Hadrian eine
typische römische Stadt mit einem Jupitertempel auf dem Tempelplatz
erbauen. Die Stadt erhielt einen neuen Namen: Aelia Capitolina. Juden
war es bei Todesstrafe verboten, ihre Stadt zu betreten! Ebenso bekam
das Land Israel einen neuen Namen: Palästina. Vom vierten bis ins
siebte Jahrhundert wurde Jerusalem dann christlich und zum
Wallfahrtsort. Überall entstanden Kirchen, Heiligtümer und Klöster.
Ca. 638 wurde die Stadt dem
Islam unterworfen, woraufhin 691 der Felsendom und 715 die
Al-Aksa-Moschee (ferne Moschee, gemäss Sure 17,2) gebaut wurden.
Seitdem gilt Jerusalem, das in «Al Kuds» (Die Heilige) umbenannt wurde,
im Islam als die drittheiligste Stadt nach Mekka und Medina.
Jerusalem stand fast 1900
Jahre unter wechselnder Herrschaft verschiedenster Nationen.
Selbst nach der Staatsgründung Israels (1948) sollte es noch einige
Jahre dauern, bis ganz Jerusalem wieder in jüdischer Hand war (1967).
In diesem Jahr sind es nun 40 Jahre, seit der Kern von Jerusalem zu Israel
gehört.
Dennoch bleibt das
Prophetenwort gültig: «Zion aber sprach: Der Herr hat mich verlassen,
der Herr hat meiner vergessen. Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen,
dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob
sie seiner vergässe, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in
die Hände habe ich dich gezeichnet;
deine Mauern sind immerdar vor mir» (Jes 49,14-16).
Stadt der göttlichen Mahnung
Sind Gottes Verheissungen
verfallen? Soll, wie manche Juden und Christen meinen, der Felsendom
abgebrochen und dafür der jüdische Tempel wieder aufgebaut werden?
Soll ein jüdischer Tempel neben dem Felsendom erbaut werden? Soll es
so bleiben, wie es jetzt ist, dass die Juden ihre Westmauer und
die Muslime den Felsendom haben? Ist dieser Ort, an dem einst der
Tempel stand, heute für Gott unbedeutend?
Gott selbst sagt über den
Tempelplatz: «Werdet ihr euch aber abkehren und meine Rechte und Gebote,
die ich euch vorgelegt habe, verlassen und hingehen und andern Göttern
dienen und sie anbeten, so werde ich Israel ausreissen aus meinem
Lande, das ich ihnen gegeben habe, und dies Haus, das ich meinem Namen
geheiligt habe, werde ich von meinem Angesicht verwerfen und
werde es zum Hohn machen und zum Spott unter allen Völkern. Und vor diesem
Hause, das so hoch erhoben wurde, werden sich entsetzen alle, die vorübergehen,
und sagen: Warum ist der Herr mit diesem Lande und mit diesem Hause so
verfahren? Und man wird sagen: Weil sie den Herrn, den Gott ihrer Väter,
verlassen haben, der sie aus Ägyptenland geführt hat, und sie sich an andere Götter
gehängt und sie angebetet und ihnen gedient haben, darum hat er all dies Unheil
über sie gebracht» (2.Chr 7,19-22).
Die entscheidende Frage
Jerusalems ist eine geistliche: Die Frage der persönlichen Beziehung der
Bewohner der Stadt zu dem Schöpfergott, der im Messias Mensch wurde und als der
«König der Juden» in die Geschichte einging. Wer den wahren Frieden Jerusalems sucht,
kommt nicht an Gott vorbei (Mt 23,39).
Bis es zum tatsächlichen
Frieden kommt, wird Jerusalem noch weiter unter Druck kommen (Sach 12-14).
Das neue Jerusalem – Stadt
der göttlichen Gegenwart
Jerusalem wird die Krönung
für alles Neue, was der Herr in Zukunft von Grund auf schaffen
wird. Jerusalem ist das Symbol und der Inbegriff der Treue Gottes
in Seinem Erlösungshandeln mit der Menschheit. Das neue Jerusalem wird
das Zentrum der Gegenwart Gottes sein (Offb 21,1-5: Sach 2,14-17).
Die Gegenwart Gottes wird Jerusalem
zur Stadt des Friedens machen. Jerusalem wird zum Zentrum des
Friedens für die Menschen werden. Dann wird sie ihre ihr schon
immer zugedachte Bestimmung erleben: «Stadt des Friedens» (Sach
14).
Von
Jurek Schulz