25.06.2012

Hat Gott Seine Verheissungen erfüllt? – Teil 3

Der abrahamitische Bund: Zu einem biblischen Verständnis von Josua 21,43-45.
Wie schon in Teil 2 gesagt, ist es nicht die Absicht dieser Serie, alle theologischen Aspekte und Befürworter anderer Sichtweisen zu Gottes Bund mit Abraham zu diskutieren. Dennoch sollten wir zumindest bestimmte entscheidende Elemente des abrahamitischen Bundes zur Kenntnis nehmen. Wir wollen untersuchen, ob sie tatsächlich schon bei Josua 21,43-45 erfüllt waren, wie manche behaupten. Zumindest ein kurzer Überblick über die Verheissungen Gottes in diesem Bund von ewiger Bedeutung ist angebracht.
In 1. Mose 12,1-3 gab Jahwe dem Abram Anweisung und Verheissung, (1) sein Land und seine Verwandten zu verlassen und in das Land zu ziehen, das Jahwe ihm zeigen würde (V 1); (2) dass Gott seinen Namen gross machen würde (V 2); (3) dass Jahwe diejenigen segnen würde, die ihn segneten, und diejenigen verfluchen würde, die ihn verfluchten(V 33); und (4): «in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde» (V 3). 1. Mose 12,7 fügt hinzu: «Da erschien der Herr dem Abram und sprach: Deinem Samen will ich dieses Land geben! Und er baute dort dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar.» Das war noch keine Bestätigung dieses Bundes; vielmehr sprach Jahwe davon, was Er in der Zukunft vollbringen würde.
Den nächsten Hinweis auf das, was schliesslich der abrahamitische Bund sein sollte, finden wir in 1. Mose 13,14-17: «Der Herr aber sprach zu Abram, nachdem sich Lot von ihm getrennt hatte: Hebe doch deine Augen auf und schaue von dem Ort, wo du wohnst, nach Norden, Süden, Osten und Westen! Denn das ganze Land, das du siehst, will ich dir und deinem Samen geben auf ewig. Und ich will deinen Samen machen wie den Staub auf der Erde; wenn ein Mensch den Staub auf der Erde zählen kann, so soll man auch deinen Samen zählen können. Mach dich auf, durchziehe das Land seiner Länge und Breite nach! Denn dir will ich es geben.»
Es sollte zur Kenntnis genommen werden, dass diese Landesverheissung in 1. Mose 13,15 für immer gegeben wird (olam). Es ist das erste Mal seit Gottes Bund mit Noah (1.Mo 9,12.16), dass dieser Gedanke und auch das Wort selbst wieder vorkommen. Das beweist noch nicht den Ewigkeitswert des Bundes; dennoch sollte dieses «ewig» gleich bewertet werden wie in 1. Mose 9 – was oft nicht getan wird. Zumindest sollte man erwarten können, dass «ewig» die nicht allzu weit entfernte Zukunft von Josua 21 überdauern sollte. Walter Kaiser geht noch weiter. Er hält denen entgegen, die die ewige Bedeutung der Verheissungen Gottes im abrahamitischen Bund aufspalten und damit schmälern oder abtun wollen:
«Ein wichtiger Gesichtspunkt ist die Tatsache, dass alle drei Bestandteile des Bundes (also der Same, das Land und das Evangelium [des Segens]) als eine Verheissung miteinander verbunden waren durch das Versprechen, dass diese Verheissung ewig sei. Die meisten Christen werden zugestehen, dass die Verheissungen in Bezug auf den Samen und das Evangelium ewig sind, aber irgendwie denken sie, man könne die ewige Verheissung des Landes von den anderen beiden ewigen Aspekten trennen! Aber wer hier das theologische Skalpell ansetzt und einen Teil herausschneidet, setzt den Rest desselben Bundes der Entwertung und einer zeitlichen Beschränkung aus.»
Die Bestätigung des abrahamitischen Bundes in 1. Mose 15 hat immerwährende Konsequenzen, deren Ausführung Gott eindeutig sich selbst und niemandem sonst auferlegt hat:
«So feierlich war dieser Bund mit seinem Geschenk des Landes, dass 1. Mose 15,7-21 allein Gott zeigt, wie Er nach Sonnenuntergang als ‹ein rauchender Glutofen und eine Feuerfackel› (V 17) zwischen den Hälften der Opfertiere hindurchging … Damit verpflichtete Er sich und nur sich selbst, die Bedingungen dieses Schwures zu erfüllen. Abraham wurde nicht gebeten, sich zu verpflichten; noch weniger wurde dies von ihm verlangt. Die gesamte Last der Übergabe des Landgeschenks lag auf dem göttlichen Versorger und nicht auf der Hingabe des Patriarchen. Wie um die Dauerhaftigkeit dieser Anordnung zu unterstreichen, wird in 1. Mose 17,7.13.19 betont, dies sollte (…) ‹ein ewiger Bund› sein.»
Hier sollte ein wesentlicher Punkt Erwähnung finden: 1. Mose 15,18 setzt die spezifischen Landesgrenzen des abrahamitischen Bundes fest: «An jenem Tag machte der Herr einen Bund mit Abram und sprach: Deinem Samen habe ich dieses Land gegeben, vom Strom Ägyptens bis an den grossen Strom, den Euphrat.» Es ist entscheidend, zur Kenntnis zu nehmen, dass Jahwe im Gegensatz zu früheren Aussagen hier nicht im Futur spricht. An diesem Tag bestätigte Er allein Seinen Bund: «… habe ich dieses Land gegeben.» Abram stammte aus Ur in Chaldäa und kannte den Euphrat sehr wohl. Es gibt keinen Grund zur Annahme, ein in der Nähe dieses sehr langen Flusses Aufgewachsener würde diese Verheissung Jahwes irgendwie mystisch oder allegorisch verstehen:
«Wie sollte Abram die Worte Gottes verstehen? Sie waren eindeutig genug. Historisch gesehen war der geografische Ort in dieser und in späteren Formulierungen der Landesverheissung recht spezifisch. Der Dispensationalismus interpretiert die Worte so, wie Gott sie gemeint und wie Abram sie verstanden hat. Keine Typologie. Kein Vergeistigen. Keine Symbolik. Kein vorauseilender Gehorsam einem bestimmten theologischen System gegenüber. Kein nachträgliches Hineinlesen späterer besonderer Offenbarungen. Diese Worte in einer Weise zu verstehen, wie Gott sie nicht beabsichtigt und Abram nicht verstanden hat, ist eine Verdrehung. Obwohl Abrams Umgebung nicht mehr sündlos war (wie damals, als Gott mit Adam und Eva Gemeinschaft hatte), war Gott doch immer noch fähig, klar zu kommunizieren. Er kann nicht lügen und Er muss beim Wort genommen werden. Abram verstand Gott richtig, und so wurde Israel Gottes auserwähltes Volk, um auf der gegenwärtigen Erde ein bestimmtes Stück Land zu besitzen.»
Es ist ebenfalls wichtig zu beachten, dass das beschriebene Territorium mit einer Landmasse von ungefähr «300.000 Quadratmeilen oder der zwölfeinhalbfachen Grösse Grossbritanniens und Irlands» ziemlich gross ist. Dies steht in krassem Gegensatz zu den traditionellen, überraschend engen Grenzen eines Gebietes, das nur etwa «ungefähr 150 Meilen von Nord nach Süd (von Dan bis Beer Shevah) und durchschnittlich dreissig Meilen vom Mittelmeer im Westen bis zum Jordan im Osten misst» und insgesamt nur etwa 10.000 Quadratmeilen umfasst. Die Bedeutung dieser spezifischen Landmasse wird später in dieser Serie untersucht und muss in die Interpretation der Landesverheissungen einfliessen, auf die in Josua 21,43-45 verwiesen wird. Für jetzt sollte genügen, dass das Verhältnis des von Gott verheissenen Landes zu dem tatsächlich von den Israeliten eingenommenen Gebiet nur etwa 30:1 beträgt.
Wie schon beim Noah-Bund festgestellt, bietet der Text keinerlei Grund zur Annahme, dass Jahwe Seine Verheissungen des abrahamitischen Bundes irgendwann einmal ignorieren, missachten oder für ungültig erklären würde. Wer immer Gottes Bund mit Noah unter Anwendung der historisch-grammatischen Hermeneutik zitiert, wird erklären müssen, warum man innerhalb ein und desselben Buches, das von ein und demselben Autor verfasst wurde, der die Worte ein und desselben Gottes aufschrieb, nun plötzlich eine andere Auslegungsmethode anwenden sollte. Woher soll man dann noch wissen, dass Gott Seinen Bund mit Noah nicht auch allegorisch verstanden haben will? Lesen wir, was Robert Thomas dazu schreibt:
«Manche meinen, die Landesverheissungen an Abraham seien wegen Israels Treulosigkeit unerfüllt geblieben. Damit erklären sie aber auch Gottes Verheissung, Abraham zum Segen für alle Völker zu machen, für gegenstandslos. 1. Mose 12,3c besagt: ‹In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde.› Wollen sie damit sagen, dass auch diese Verheissung aufgrund von Israels Untreue aufgehoben sei? Diese Verheissung an Abraham, allen Völkern zum besonderen Segen zu sein, ist immer noch gültig und wirksam und wird buchstäblich erfüllt – genauso wie ein anderer Aspekt des abrahamitischen Bundes, die Landesverheissung.»
Entlang genau derselben Argumentationslinie müsste begründet werden, welche Teile des Bundes verfallen seien und auf welcher hermeneutischen Grundlage dies möglich wäre.
Von Greg Harris