27.02.2012

Böse Gerüchte

Es heisst in 2. Mose 23,1: «Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten!» Rufmord, Verschwörungstheorien, falsche Behauptungen, Beschuldigungen, Verleumdung und Vermutungen beeinflussen den Menschen weitaus mehr, als man gemeinhin annehmen will. Wenn man uns etwas Negatives über jemand anderen erzählt, beeinflusst das unsere Haltung ihm gegenüber sogar noch dann, wenn sich die Aussage als unwahr herausgestellt hat. Wir sind bereits «beschlagen» und eine Skepsis oder gewisse Abneigung bleibt meistens zurück. Rufmord kann Menschenmassen derart beeinflussen, dass sie imstande sind, das Absurdeste zu glauben und dementsprechend zu reagieren.
Im globalen politischen Geschehen erleben wir dies gegenüber dem jüdischen Staat. Israel gehört zum Beispiel zu den ersten, die in Katastrophengebieten vor Ort Hilfe leisten. Doch wird dem jüdischen Volk dies – wie zum Beispiel in Haiti – so ausgelegt, als würde es das nur aus Eigennutz tun und den Betroffenen die Organe entnehmen, um daraus Profit zu schlagen.
Im Mittelalter galten die Juden als Brunnenvergifter und sie waren schuld an der Pest. Im 19. Jahrhundert wurden die «Protokolle der Weisen von Zion» erfunden, um gegen das internationale Judentum Stimmung zu machen, und das ist wahrlich gelungen. Bis heute haftet den Juden diese Andichtung an. Politiker, Regierungen und das gemeine Volk glaubten den Verschwörungstheorien der «Protokolle der Weisen von Zion». Sie gewannen derart an Einfluss, dass es zu Misstrauen, Verachtung, Verfolgung und Vertreibung kam. Die Protokolle werden heute noch in aktualisierter Form über islamische Sender ausgestrahlt. Im nationalsozialistischen Reich des 20. Jahrhunderts wurden alle möglichen und unmöglichen Gerüchte über das Judentum in die Welt gesetzt, was ganze Völker in Europa beeinflusste.
Die Meinung scheint vorzuherrschen, dass die Juden an all dem Bösen in der Welt schuld sind. Thomas Lachenmaier schrieb im factum: «Mittelalterliche Verschwörungstheorien, wonach die Juden durch Brunnenvergiftung die Pest entfacht hätten, um Einfluss zu gewinnen, findet heute in der muslimischen Welt ihr Pendant in der Behauptung, ‹die Juden› stünden hinter der Schweinegrippe. Die iranische Nachrichtenagentur ‹Fars› schreibt solches ebenso wie die Londoner Tageszeitung ‹Al-Quds al-Arabi›, die dazu noch Karikaturen veröffentlichte, die israelische Politiker als Schweine zeigen. Auch Zeitungen in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten veröffentlichen solche Verschwörungstheorien. Im ägyptischen Fernsehen behauptet der Gelehrte Ahmad Abd Al-Salam: ‹Die Juden infizieren Lebensmittel mit Krebs.› (…) Verschwörungstheorien leben von der paranoiden Vorstellung, man sei das Opfer bösartiger, finsterer, unsichtbarer Kräfte. Auch Christen können darauf hereinfallen. Wo das Böse an geheimem Ort ausgeheckt wird, eine geheime Organisation dahintersteckt, da muss man sich nicht mehr mit dem Bösen in seinem eigenen Herzen auseinandersetzen.»
Der Judenhass wird heute nicht nur in islamischen Ländern geschürt, sondern hat längst weltweit Einzug gehalten; Gerüchte verbreiten sich sehr schnell und intensiv. Davon angesteckt sind sowohl die UNO und Amnesty International als auch südamerikanische oder europäische Länder. Sogar von kirchlicher Seite hört man hier und da antisemitische Verlautbarungen. Hierzu ein Beispiel: «Israel sieht sich einer ernst zu nehmenden Bedrohung seines Existenzrechtes gegenüber – neben dem Goldstone-Bericht (Bericht über die Gaza-Offensive 2009; Anm. Red.) und den Versuchen, Israel rechtlich zu bekämpfen, werden Theologen und Aktivisten liberaler protestantischer Kirchen für den Judenstaat immer bedrohlicher. Das erklärte Rabbi Abraham Cooper vom Simon-Wiesentahl-Center letzten Dienstag während der Jahreskonferenz der Organisation in Jerusalem. ‹Theologen und Aktivisten einiger bekannter protestantischer Kirchen versuchen, Israel von oben her zu zerstören›, sagte Cooper. ‹Ihre Aktivitäten sind darauf gerichtet, traditionelle Freunde in Feinde zu verwandeln und die Unterstützung für Israel in den USA zu unterminieren. (…) Sie stellen Israel als theologischen Fehler dar, der in dem letzten sündhaften Atemzug des westlichen Kolonialismus begangen wurde.› Der Weltkirchenrat in Genf, ökumenische Dachorganisation von mehr als 350 Kirchen und kirchlichen Organisationen, sei das Zentrum des protestantisch-theologischen Krieges gegen Israel, erklärte Cooper. ‹Der Weltkirchenrat hat sich die arabische Sichtweise zu eigen gemacht.›
Das jüdische Volk hat es in seiner biblischen Geschichte selbst erlebt, wohin böse Gerüchte führen können.
Als Israel vor den Toren des verheissenen Landes stand und die Kundschafter aus Kanaan zurückkehrten, spitzte sich die Situation von einem anfänglich negativen Bericht bis hin zur Bereitschaft, Mose und Aaron zu töten, zu. Zunächst brachten die Kundschafter lediglich den Einwand: «Allerdings ist das Volk stark, das in dem Land wohnt, und die Städte sind befestigt und sehr gross; und auch die Söhne Enaks haben wir dort gesehen» (4.Mo 13,28). Dieser Einwand steigerte sich zu einem bösen Gerücht: «Und sie brachten unter den Söhnen Israel ein böses Gerücht über das Land auf, das sie ausgekundschaftet hatten, und sagten: Das Land, das wir durchzogen haben, um es zu erkunden, ist ein Land, das seine Bewohner frisst; und alles Volk, das wir darin gesehen haben, sind Leute von hohem Wuchs» (V 32). Daraufhin kam es zur masslosen Übertreibung: «Auch haben wir dort die Riesen gesehen, die Söhne Enaks von den Riesen; und wir waren in unseren Augen wie Heuschrecken, und so waren wir auch in ihren Augen» (V 33). Nun wurde die ganze Gemeinde beeinflusst, und es kam zur Hysterie: «Da erhob die ganze Gemeinde ihre Stimme und schrie, und das Volk weinte in jener Nacht» (4.Mo 14,1). Dann begehrte das Volk gegen Mose und gegen Aaron auf: «Und alle Söhne Israel murrten gegen Mose und gegen Aaron, und die ganze Gemeinde sagte zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten gestorben, oder wären wir doch in dieser Wüste gestorben!» (V 2). Und am Ende war es so dramatisch, dass das Volk sie steinigen wollte: «Und die ganze Gemeinde sagte, dass man sie steinigen solle. Da erschien die Herrlichkeit des Herrn an dem Zelt der Begegnung allen Söhnen Israel» (V 10). Die Aussagen des Wortes Gottes wurden hier durch menschliche Gerüchte entkräftet. Gott sei Dank erschien der Herr aber im genau richtigen Moment in Seiner Herrlichkeit, um Sein Wort mit Macht durchzusetzen.
Heute zählen nicht die Verheissungen Gottes über das jüdische Volk, sondern die hartnäckigen Verleumdungen, die sich nicht selten auf eine verdrehte Geschichtsschreibung berufen. Man glaubt den in die Welt gesetzten Gerüchten mehr als den biblischen Aussagen.
Es scheint, als seien die bösen Gerüchte zur Zeit der jüdischen Diaspora durch den Vater der Lüge (Joh 8,44) und sein unzählbares Heer von Dämonen in Umlauf gebracht worden, um Israel daran zu hindern, jemals wieder ins verheissene Land zurückzukehren. Das Volk sollte nach seiner Zerstreuung total vernichtet werden. Aber als das jüdische Volk nach dem Ersten Weltkrieg dennoch wieder im Begriff stand, nach Hause zu kommen, setzten die Gerüchte des Hitlerregimes ein (wiederum dämonisch inspiriert) und vollbrachten Fürchterliches. Trotz allem ist das Volk wieder in seine Heimat gelangt, und das können die Feinde nicht ertragen, also frischen sie alte Gerüchte auf und dichten neue hinzu – und die Welt glaubt es ihnen. Doch in dem Moment, wenn die Völker die Hand ausstrecken, um Israel zu vernichten, wird der Herr in Seiner Herrlichkeit erscheinen.
Eine andere Geschichte wird uns in 1. Könige 21 berichtet. Der treulose israelitische König Ahab begehrte einen Weinberg, der an seinen Palast in Samaria angrenzte. Aus diesem Weinberg wollte er einen Gemüsegarten machen. Er verhandelte mit dem Besitzer Nabot. Dieser wollte aber das Erbe seiner Väter nicht verkaufen und ging nicht auf das Angebot ein. Beleidigt ging der König nach Hause. Seine gottlose und heidnische Ehefrau Isebel setzte daraufhin folgendes Gerücht in Umlauf: «Ruft ein Fasten aus und setzt Nabot obenan unter dem Volk; und setzt ihm gegenüber zwei Männer, Söhne Belials, die gegen ihn Zeugnis ablegen und sagen sollen: ‹Du hast Gott und dem König geflucht!› Und führt ihn hinaus und steinigt ihn, damit er stirbt! … Da führten sie ihn vor die Stadt hinaus und steinigten ihn, sodass er starb» (1.Kön 21,9-10.13).
Der Weinberg ist ein Bild für Israel: «Denn der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Männer von Juda sind die Pflanzung seiner Lust» (Jes 5,7). Heute wollen die Nachbarn Israels das jüdische Land an sich reissen und in ihr Gebiet einverleiben, doch es gelingt ihnen nicht, das Erbe der jüdischen Väter zu beschlagnahmen. Es werden unter anderem alle möglichen Medienbeiträge in Umlauf gebracht, um das Volk «zu steinigen» und sein Land in Besitz zu nehmen. Es soll ein ganz anderes Land werden, aus dem Weinberg Israel soll ein Gemüsegarten gemacht werden, worin sich alle Nationen irgendwie wiederfinden. Erst kürzlich hiess es wieder, dass die iranische Nachrichtenagentur IRNA Ahmadinedschad mit den Worten zitierte: «Die Region soll von ihren (Israels) bösen Machenschaften für immer erlöst werden. Das iranische Volk wird sich in dieser Sache zu den Menschen im Libanon und der Region stellen.»
Als Jesus vor dem Hohen Rat stand, versuchten die Schriftgelehrten ein Gerücht in Umlauf zu bringen, durch das sie Ihn verurteilen konnten. Dafür verbanden sie Wahrheit mit Lüge: «Aber die obersten Priester und die Ältesten und der ganze Hohe Rat suchten ein falsches Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu töten. Aber sie fanden keines; und obgleich viele falsche Zeugen herzukamen, fanden sie doch keines. Zuletzt aber kamen zwei falsche Zeugen und sprachen: Dieser hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes zerstören und ihn in drei Tagen aufbauen!» (Mt 26,59-61). Jesus sprach, als Er diese Aussage gemacht hatte, nicht von dem jüdischen Tempel, sondern von dem Tempel Seines Leibes (Joh 2,19-21). Diese Wahrheit verdrehte man so, dass sie zu einer Anschuldigung wurde. Wird es nicht vielfach von den Feinden des Christentums und Judentums so gehandhabt, dass sie biblische Wahrheiten geschickt umzudrehen verstehen, um daraus eine Lüge oder Anschuldigung zu machen?
Als der Herr Jesus von den Toten auferstanden war, brachte man zur Verleugnung Seiner Auferstehung wieder ein Gerücht in Umlauf: «Diese versammelten sich samt den Ältesten, und nachdem sie Rat gehalten hatten, gaben sie den Kriegsknechten Geld genug und sprachen: Sagt, seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. Und wenn dies vor den Statthalter kommt, so wollen wir ihn besänftigen und machen, dass ihr ohne Sorge sein könnt. Sie aber nahmen das Geld und machten es so, wie sie belehrt worden waren. Und so wurde dieses Wort unter den Juden verbreitet bis zum heutigen Tag» (Mt 28,12-15).
So wie die Wahrheit Jesu, Sein übernatürlicher Eintritt in die Welt, Seine Wunder, Sein Tod und Seine Auferstehung verdreht werden, so wird auch die biblische Wahrheit über Israel verdreht und soll durch falsche Behauptungen und Verleumdungen ausser Kraft gesetzt werden. Doch Jesus kommt wider alle Verdrehungen dieser Wahrheit zurück und wird auch mit Israel das angefangene Werk vollenden.
In Daniel 7,13-14.18.27 wird beschrieben, wie der «Sohn des Menschen» mit den «Wolken des Himmels» vor Gott gebracht wird und die Königsherrschaft über alle Völker bekommt. Diese Verse beschreiben gleichzeitig die Himmelfahrt und die Wiederkunft Jesu Christi, so wie es in Apostelgeschichte 1,9-11 bestätigt wird. Dann heisst es in Daniel 7,18, dass diese Königsherrschaft den «Heiligen des Allerhöchsten» gegeben wird, was bedeutet, dass sie mitherrschen werden. Ohne Zweifel ist damit der heilige, an den Messias gläubige Überrest der Juden gemeint, der die Befreiung erlebt, wenn der Messias zurückkommt (Offb 19). Dann, wenn es so weit ist, wird es heissen: «Ich will dich künftig nicht mehr die Schmähungen (Gerüchte, Verleumdungen) der Heiden hören lassen, und den Hohn der Völker sollst du nicht mehr tragen und dein Volk nicht mehr zu Fall bringen, spricht Gott, der Herr» (Hes 36,15). Wie ist unsere Haltung? Glauben wir der Gerüchteküche oder dem Brot des Lebens?
Von Norbert Lieth