24.02.2012

1. Timotheus 5,21-25: Unumgängliches im Umgang mit der Gemeinde

Im 1. Timotheusbrief zeigt der Apostel Paulus auf, «wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit». Lesen Sie hier Teil 17.
In 1. Timotheus 5,21-25 schreibt Paulus: «Ich ermahne dich ernstlich vor Gott und dem Herrn Jesus Christus und den auserwählten Engeln, dass du dies ohne Vorurteil befolgst und nichts aus Zuneigung tust! Die Hände lege niemand schnell auf, mache dich auch nicht fremder Sünden teilhaftig; bewahre dich selbst rein! Trinke nicht mehr nur Wasser, sondern gebrauche ein wenig Wein um deines Magens willen und wegen deines häufigen Unwohlseins. Die Sünden mancher Menschen sind allen offenbar und kommen vorher ins Gericht; manchen aber folgen sie auch nach. Gleicherweise sind auch die guten Werke allen offenbar; und die, mit welchen es sich anders verhält, können auch nicht verborgen bleiben.»
Die Ermahnung: «Die Hände lege niemand schnell auf», hat nichts mit einer Warnung vor den Übergriffen okkulter Mächte zu tun (im Sinne geistlicher Ansteckungsgefahr), sondern warnt vor einer vorschnellen Amtseinsetzung.
Handauflegung wurde unter anderem zur Amtseinführung (Ordination) praktiziert. Hierdurch wurde ein Amt öffentlich übertragen und anerkannt. Derjenige oder diejenigen, die jemanden auf diese Weise in ein öffentliches Amt einsetzten, identifizierten sich mit ihm.
– Bei der Einsetzung der Diakone in Apostelgeschichte 6,6: «Diese stellten sie vor die Apostel, und sie beteten und legten ihnen die Hände auf.»
– Zur Aussendung von Barnabas und Saulus: «Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und liessen sie ziehen» (Apg 13,3).
– Bei der Einsetzung des Timotheus selbst: «Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir verliehen wurde durch Weissagung unter Handauflegung der Ältestenschaft!» (1.Tim 4,14).
Es soll also niemand vorschnell in ein leitendes Amt eingesetzt werden, weil dies mit einer grossen Verantwortung verbunden ist (3,1). So darf zum Beispiel niemand eingesetzt werden, der zu jung im Glauben ist (3,6). Es muss genügend Zeit zur Erprobung gegeben sein (3,10). Und die Kriterien aus 1. Timotheus 3,1-13, Titus 1,5-9 und 1. Petrus 5,1-4 müssen erfüllt sein.
«Mache dich auch nicht fremder Sünden teilhaftig»: Sünden dürfen niemals toleriert werden. Es darf keinen liberalen, oberflächlichen oder halbherzigen Umgang mit Sünde geben (s. V 20-21). In Bezug auf die Ordinierung bedeutet das: Wenn man jemanden durch Handauflegung öffentlich anerkennt, ihn in einen Dienst einsetzt und sich mit ihm durch die Handauflegung identifiziert, dann macht man sich automatisch mitschuldig, wenn sich diese Person als zu vorschnell eingesetzt, als Irrlehrer oder sonst in irgendeiner Form als ungeeignet erweist.
«Bewahre dich selbst rein!» Dieser Satz unterstreicht noch einmal, dass man nicht vorsichtig genug sein kann. Die Verse 24-25 von 1. Timotheus 5 sollten ganz in diesem Zusammenhang verstanden werden: Man soll jemanden nicht vorschnell in ein geistlich verantwortungsvolles Amt einsetzen, sondern ihn zuvor angemessen prüfen, weil bei manchen die verborgenen Sünden erst später offenbar werden. Ebenso verhält es sich mit den guten Werken.
Zusammengefasst vermittelt uns dieser Text: Verantwortliche Personen sind für eine Gemeindearbeit notwendig, wichtig und gesucht. Deshalb soll man auch danach bestrebt sein, die Augen offen zu halten und sich nach solchen Leuten umzusehen, sie zu fördern und einzusetzen (3,1; Tit 1,5). Gleichzeitig aber ist damit eine gewisse Vorsicht verbunden, da die Verantwortung sehr gross ist. Es darf nicht vorschnell und nicht aus persönlicher Zuneigung geschehen, vielmehr sollen die biblischen Richtlinien angewandt werden.
Vers 23 kann man als einen Einschub betrachten, der aber indirekt auch in diesen Kontext passt: «Trinke nicht mehr nur Wasser, sondern gebrauche ein wenig Wein um deines Magens willen und wegen deines häufigen Unwohlseins.» Es ging in diesem Kapitel ja um die Einsetzung von Ältesten und den Umgang mit ihnen, aber auch um die Behandlung der Witwen usw. Timotheus nahm diese Aufgabe nicht auf die leichte Schulter. Offensichtlich war er eine sehr sensible Person mit einem feinen Gewissen.
Die Verse 24-25 lassen anklingen, dass Timotheus mit dem Einsetzen von Mitarbeitern (Ältesten) seine liebe Mühe hatte. Offenbar gab es nämlich innerhalb der Gemeinde undurchsichtige Personen, die nach einem Amt strebten. Das warf viele Fragen auf und Timotheus wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er war ja noch relativ jung (4,12), die Verantwortung aber war sehr gross. Da mag eine gewisse Angst und Unsicherheit in ihm aufgestiegen sein, denn er nahm seinen Auftrag sehr ernst.
Das alles bereitete ihm Magenschmerzen und Paulus wollte ihn nun beruhigen. Denn wahrscheinlich verzichtete Timotheus wegen seines feinen Gewissens auf Wein. Er wollte nicht anecken und niemandem Anstoss sein. Er wollte sich als Diener des Herrn und Mitarbeiter des Paulus vollkommen bewähren und war seiner Aufgabe ganz hingegeben.
Im Römerbrief, den Paulus etwa 8 Jahre vor dem Timotheusbrief geschrieben hatte, gab Paulus die Anweisung: «Es ist gut, wenn du kein Fleisch isst und keinen Wein trinkst, noch sonst etwas tust, woran dein Bruder Anstoss oder Ärgernis nehmen oder schwach werden könnte» (Röm 14,21). Sicherlich wusste Timotheus um diese Einstellung des Apostels und wollte sich daran halten. Ebenso sollten die Diakone nicht vielem Weingenuss ergeben sein (1.Tim 3,8) und die Ältesten nicht der Trunkenheit (Tit 1,7). Ältere Frauen, die ja eine Vorbildfunktion hatten, sollten ebenfalls nicht dem übermässigen Weingenuss verfallen sein (Tit 2,3).
All diese ernst zu nehmenden Hinweise machen zugleich aber auch deutlich, dass Wein nicht grundsätzlich verboten ist. Es ist jedoch ein sehr vorsichtiger Umgang damit geboten. Paulus will Timotheus beruhigen; und damit zeigt er uns, dass neben dem Gebet auch ganz praktische Dinge von Nutzen sind und angewandt werden können. In diesem Fall nicht nur Gebet, sondern auch «Medizin».
Zur damaligen Zeit trank man bei Mahlzeiten Wein, gemischt mit zwei Teilen Wasser. Timotheus trank offenbar keinen Wein, sondern nur Wasser. Der Apostel rät ihm nun, etwas Wein zu trinken. Wein beruhigt den Magen und desinfiziert das Wasser. Damit konnte Durchfallerkrankungen vorgebeugt werden. Es handelt sich daher bei dieser Aussage um eine rein medizinische Anordnung.
Von Norbert Lieth