15.03.2011

1. Timotheus 3,1-7: Die Aufseher der Gemeinde

Im 1. Timotheusbrief zeigt der Apostel Paulus auf, «wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit». Lesen Sie hier Teil 8.
In 1. Timotheus 3,1 erklärt Paulus: «Glaubwürdig ist das Wort: Wer nach einem Aufseherdienst trachtet, der begehrt eine vortreffliche Tätigkeit.» Der Aufseherdienst ist eine Aufgabe, nach der sich wohl jeder Mann ausstrecken darf, die aber bestimmte Qualifikationen erfordert.
Das Wort «Aufseher» leitet sich von dem griechischen Wort «episkopos» ab (Aufseher, Vorsteher, Leiter), woraus später der Begriff «Bischof» entstand. Im Neuen Testament werden die Begriffe «Aufseher», «Hirte» (Pastor), «Ältester», «Vorsteher» und «Führer» gleichbedeutend erwähnt und meinen somit dieselbe Sache (Eph 4,11; 1.Tim 4,14; 5,17; Tit 1,5; 1.Thess 5,12; 1.Petr 5,1-2; Hebr 13,7).
Die Voraussetzungen für einen Ältesten: «Nun muss aber ein Aufseher untadelig sein, Mann einer Frau, nüchtern, besonnen, anständig, gastfreundlich, fähig zu lehren; nicht der Trunkenheit ergeben, nicht gewalttätig, nicht nach schändlichem Gewinn strebend, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig; einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht und die Kinder in Unterordnung hält mit aller Ehrbarkeit – wenn aber jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiss, wie wird er für die Gemeinde Gottes sorgen? –, kein Neubekehrter, damit er nicht aufgeblasen wird und in das Gericht des Teufels fällt. Er muss aber auch ein gutes Zeugnis haben von denen ausserhalb der Gemeinde, damit er nicht in üble Nachrede und in die Fallstricke des Teufels gerät» (1.Tim 3,2-7).
«Untadelig» in dem Sinne, dass man ihm nichts vorwerfen kann.
«Mann einer Frau». Diese Qualifikation betont den moralischen Aspekt. Das bedeutet nicht, dass ein Aufseher zwangsläufig verheiratet sein muss, sondern dass er der Ehemann einer einzigen Frau sein soll, was damals nicht unbedingt üblich war. Sie grenzten sich damit von den Gepflogenheiten einer heidnischen Gesellschaft ringsum ab. Ein Ältester soll moralisch, gedanklich und geistlich ganz und gar nur auf seine eigene Frau ausgerichtet sein. Es werden hierdurch aber noch zwei weitere Klarstellungen gegeben: Erstens ist ein Aufseheramt Männern zugedacht und kann demnach nicht einer Frau zufallen, da ein Ältester «Mann einer Frau» sein soll und es nicht heisst «Frau eines Mannes». Zweitens spricht sich das Bischofsamt gegen ein Zölibat aus.
«Nüchtern». Das Wort «nüchtern» kommt im Neuen Testament elfmal vor und beschreibt die innere geistliche Haltung, die ein Ältester mitbringen sollte. Er sollte klar im Kopf sein und nicht der Schwärmerei, einem geistlichen Rausch oder der Leichtgläubigkeit unterliegen. Er sollte nicht schnell verführbar und kein Extremist sein, sondern ausgeglichen und die Dinge geistlich und realistisch auf biblischer Grundlage betrachten.
«Besonnen». Das heisst, bedacht, wohlüberlegt und nicht überhitzt reagieren.
«Anständig». Andere Übersetzungen sagen «ehrbar», «sittsam», «würdig» oder «ordentlich». Hiermit ist ein wohlgeordnetes, diszipliniertes Denken und Handeln gemeint.
«Gastfreundlich». Das griechische Wort heisst «philoxenos»; «phileo» = «lieben» und «xenos» = «Fremder» = Liebe zu Fremden. Hiermit wird betont, dass er kein Menschenfeind sein darf, der sich hinter seiner verschlossenen Tür zurückzieht. Er soll aufgeschlossen sein und jederzeit bereit, sich um Menschen zu kümmern, nicht nur innerhalb der Gemeinde, sondern bis in sein Haus hinein. Das heisst, dass der Dienst für einen Ältesten nicht erst in der lokalen Gemeinde beginnt und auch nicht an der Grenze der lokalen Gemeinde aufhört.
«Fähig zu lehren». Andere Übersetzungen sagen «ein tüchtiger Lehrer», «lehrfähig», «eine gute Lehrgabe haben» oder «geschickt im Lehren». Ein Ältester muss die Wahrheit repräsentieren und darum präsentieren können. Interessant ist, dass bei allen geistlichen und moralischen Voraussetzungen, die ein Ältester mitbringen soll, nur eine geistliche Gabe erwähnt wird, die des Lehrens. Darum lohnt es sich, noch einige Parallelstellen aus den Pastoralbriefen zu zitieren, um zu sehen, wie viel Gewicht die Bibel auf das Lehren legt und was der Heilige Geist darunter versteht.
«Wenn du dies den Brüdern vor Augen stellst, wirst du ein guter Diener Jesu Christi sein, der sich nährt mit den Worten des Glaubens und der guten Lehre, der du nachgefolgt bist» (1.Tim 4,6; vgl. V 11). «Bis ich komme, sei bedacht auf das Vorlesen, das Ermahnen und das Lehren» (1.Tim 4,13). «Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen doppelter Ehre wert geachtet werden, besonders die, welche im Wort und in der Lehre arbeiten» (1.Tim 5,17). «Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern milde sein gegen jedermann, fähig zu lehren, geduldig im Ertragen von Bosheiten» (2.Tim 2,24). «Du aber rede, was der gesunden Lehre entspricht» (Tit 2,1). «Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das vertraue treuen Menschen an, die fähig sein werden, auch andere zu lehren» (2.Tim 2,2).
Hat Paulus hier nicht etwas zu hoch gegriffen? Ist nicht die ganze Bibel letztlich Lehre? Paulus scheint seine eigene Lehre sehr wichtig zu sein. Seine Lehre nimmt den grössten Raum im Neuen Testament ein, er hat die meisten neutestamentlichen Offenbarungen und Geheimnisse empfangen. Seine Lehre ist besonders für die Heiden eine Richtlinie – seine Lehre über die Rechtfertigung, über die Heiligung, über das Gesetz, über Israel, über die Entrückung, die Auferstehung. Die Lehre der anderen neutestamentlichen Verfasser ist der des Paulus angeglichen (2.Petr 3,15-16), somit geht es um die Gesamtlehre des Neuen Testaments. Paulus nennt sogar seine Schriften «mein Evangelium» (Röm 2,16; Gal 2,7). Er bezeichnet die Botschaft, die er zusammen mit Silas in Thessalonich verkündet hat, als wahrhaftiges Wort Gottes (1.Thess 2,13). Und nun legt der Apostel sehr viel Nachdruck darauf, dass diese Lehre in der Gemeinde weitergegeben wird. Damit werden wir sehr herausgefordert.
«Nicht der Trunkenheit ergeben». Ein Ältester darf nicht als ein Trinker in Verruf geraten, er darf nicht alkoholabhängig sein.
«Nicht gewalttätig» (kein Schläger, keiner, der Schläge austeilt). Er muss immer seine Selbstbeherrschung bewahren und darf sich nicht zur Gewalt hin provozieren lassen. Das war in der damaligen Zeit besonders deshalb wichtig, weil ja viele Männer Herren über Sklaven waren. Er durfte hier nicht handeln wie die Welt, ein Christ schlägt seine Sklaven nicht. Aber auch im familiären Umfeld soll keine Gewalt herrschen.
«Nicht nach schändlichem Gewinn strebend» (oder: «nicht unehrliche Hantierung treiben»). Er darf nicht betrügen, nicht sich selbst schändlich bereichern wollen. Er soll auch in finanzieller Hinsicht vollkommen in der Wahrheit bleiben. Er darf sich nicht durch falsche Motivation antreiben lassen. Es soll ihm nicht um persönliche Bereicherung gehen oder um die Bereicherung der Gemeinde.
«Sondern gütig». Im Gegensatz zu gewalttätig soll er gütig sein. Welche Eigenschaften stecken in diesem Begriff? Freundlich, milde, rücksichtsvoll, barmherzig, friedfertig, vergebungsbereit, nachsichtig.
«Nicht streitsüchtig» (nicht kampflustig). Das heisst, nicht negative und endlose Diskussionen suchen, auf sein Recht pochen oder nachtragend sein. Man sollte nicht über jede Kleinigkeit aufgebracht sein, sondern ausgeglichen und nachgiebig, wo es angebracht ist.
«Nicht geldgierig» (nicht Geld liebend).  Weiter oben ging es um schändlichen, unehrlichen Gewinn. An dieser Stelle geht es mehr um den Geiz. Er soll weniger an Geld interessiert sein, als mehr daran, dass es der Gemeinde geistlich gut geht. Er soll auch in finanzieller Hinsicht der Gemeinde vorstehen und ein Vorbild sein. Er darf nicht geizig sein, es soll sich bei ihm nicht alles ums Geld drehen. Dass Paulus das Geld zweimal erwähnt, zeigt die besondere Gefahr, die damit verbunden ist (vgl. Hebr 13,5; 1.Tim 6,10). «Hütet die Herde Gottes bei euch, indem ihr nicht gezwungen, sondern freiwillig Aufsicht übt, nicht nach schändlichem Gewinn strebend, sondern mit Hingabe, nicht als solche, die über das ihnen Zugewiesene herrschen, sondern indem ihr Vorbilder der Herde seid! Dann werdet ihr auch, wenn der oberste Hirte offenbar wird, den unverwelklichen Ehrenkranz empfangen» (1.Petr 5,2-4).
«Einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht und die Kinder in Unterordnung hält mit aller Ehrbarkeit – wenn aber jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiss, wie wird er für die Gemeinde Gottes sorgen?» Zu dieser Stelle sollten wir die Parallele in Titus 1,6 hinzuziehen: «Wenn einer untadelig ist, Mann einer Frau, und treue Kinder hat, über die keine Klage wegen Ausschweifung oder Aufsässigkeit vorliegt.» Für «treue Kinder» schreiben alle anderen Übersetzungen «gläubige Kinder». Das sagt deutlich genug aus, dass die Kinder eines Ältesten gläubig sein müssen. Dass es sich dabei nicht nur um unmündige, kleine Kinder handelt, darauf verweist der Zusatz, dass sich diese Kinder nicht der Ausschweifung (Zuchtlosigkeit) und Aufsässigkeit schuldig machen dürfen. Diese Vergehen betreffen eher grössere Kinder. Es handelt sich allerdings um die Kinder, die noch im eigenen Haus der Eltern leben und damit noch zur Familie gehören, denen der Vater vorsteht: «Einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht.» Es sind nicht Kinder gemeint, die bereits einen eigenen Haushalt führen, verheiratet sind und Familie haben. Diesen können die Eltern nicht mehr vorstehen. Wann gehören die Kinder eines Vaters nicht mehr zu seinem eigenen Haus? Ab dem Moment, wo sie das Haus verlassen, um einen eigenen Hausstand zu haben. «Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen» (1.Mo 2,24) sagt aus, dass das Haus des Vaters verlassen und eine neue, eigenständige Familienzelle gegründet wird. In dem Moment gehört das Kind nicht mehr dem Haus des Vaters an. Somit kann ein Vater seine Ältestenschaft nicht verlieren, wenn ein erwachsenes Kind, das nicht mehr zum Haushalt des Vaters gehört, eigene Wege geht.
Der Bibelabschnitt hebt insgesamt hervor, dass das Gemeindeleben nicht dem Familienleben voransteht. Manche Gläubigen setzen sich so sehr für die Gemeinde und christliche Aktivitäten ein, dass sie dabei die Familie vernachlässigen. Sie meinen, dass die Arbeit für den Herrn vorgeht, und beachten nicht, dass die Familienarbeit genauso Arbeit für den Herrn ist. Der Dienst für den Herrn muss Zuhause beginnen. Bevor man in die Leiterschaft eintreten kann, muss gewährleistet sein, dass die Familie versorgt ist (der Vater sollte nicht Zuhause rumhängen), dass eine angebrachte Erziehung vorhanden ist und die Kinder im Glauben unterrichtet und gelehrt werden.
«Kein Neubekehrter, damit er nicht aufgeblasen wird und in das Gericht des Teufels fällt.» Das griechische Wort für aufgeblasen oder aufblähen bedeutet auch «in Rauch einhüllen». Es hat zu tun mit einem Rausch, mit Abgrenzung und mit Blindheit. Man könnte doch meinen, dass gerade ein Neubekehrter, der die ganze Gnade erhalten hat, durch Zerbruch und Busse gegangen ist und den Heiligen Geist empfangen hat, davor gefeit sein sollte, aber das Gegenteil ist der Fall. Wir sehen, dass auch hierin die Bibel viel nüchterner ist als die Menschen es oftmals sind.
Wir werden aufgefordert, auf uns selbst zu achten, zu wachen, nüchtern zu sein und über andere zu wachen. Um in der Gesinnung Jesu zu bleiben, benötigt es viele ganz nüchterne Beachtungen, Überwindungen und Regeln. Stolz und Hochmut sind innerhalb der Christenheit eine gefährliche Sache und haben schon sehr viel Schaden angerichtet, zumeist für diejenigen selbst, die hochmütig wurden. Es ist doch sehr interessant und eine Botschaft in sich, wie schwer es der Mensch hat, mit einer Stellung angemessen umzugehen. Von Natur aus hat auch der Christ es schwer, nicht in Hochmut zu fallen. Und tatsächlich ist es immer wieder zu beobachten, wie negativ sich Menschen verändern können, wenn sie eine Bibelschule absolviert haben oder eine verantwortliche Stellung in der Gemeinde erhalten. Manchmal sind sie dann gegenüber früher nicht wiederzuerkennen. Eine Übersetzung sagt: «Damit er nicht vom Stolz verblendet wird.» Stolz kann die Gefühle verleiten und die Vernunft benebeln. Der Mensch ist jederzeit in der Lage, in dieselbe Sünde zu fallen wie der Teufel, der ja der grösste Vertreter des Hochmuts ist. Mit der Aussage «und in das Gericht des Teufels fällt» ist nicht gemeint, dass der Teufel Macht hätte, einen Christen zu richten. Vielmehr werden wir gewarnt, nicht in dasselbe Gericht zu fallen, in das der Teufel fiel. Es geht also darum aufzuzeigen, wie gross die Gefahr ist, in die gleiche Sünde zu fallen, in die der Teufel gefallen ist und deshalb letztlich gerichtet wurde. Er hatte als Lichtengel eine hohe Stellung, wahrscheinlich weit höher als die anderen Engel, und er hat sich daran nicht genügen lassen, sondern sich in Sünde weiter erhoben (Jes 14,13- 14; Hes 28,17). So werden wir gewarnt, darüber zu wachen, jede Möglichkeit zu beseitigen und alles dafür zu tun, um uns nicht wie der Teufel zu überheben und dem gleichen Gericht zu verfallen.
«Er muss aber auch ein gutes Zeugnis haben von denen ausserhalb der Gemeinde, damit er nicht in üble Nachrede und in die Fallstricke des Teufels gerät.» Die Sachlage ist klar, ein Gemeindeleiter soll auch ein gutes Zeugnis haben von denen, die nicht Christen sind. Er soll einen guten Ruf in der Welt haben, die ihn umgibt. Wobei natürlich zu unterscheiden ist zwischen Verleumdung und berechtigter Anklage. Aber es reicht nicht aus, wenn nur diejenigen gut über ihn reden, die innerhalb der Gemeinde oder seine Anhänger sind. Es ist erschreckend, dass hier angemerkt wird, dass der Teufel es versteht, einen negativen Lebenswandel gegen uns auszunutzen und gegen uns zu verwenden. Wenn ein Gemeindeleiter in üble Nachrede gerät, wird er zur leichten Beute für den Teufel, der ja umhergeht wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann (1.Petr 5,8). Der Teufel legt Fallstricke und lockt in die Falle. Das zeigt, wie hinterhältig und listig er ist, er ist ein Jäger der Seelen. Er, der Adam und Eva zu Fall brachte, wird nicht müde darin, auch uns in die Falle zu locken. Wenn man nun weiss, dass man über ein Gelände geht, wo Fallen aufgestellt sind, dann geht man umso behutsamer und kontrollierter. Wenn der Teufel besonders darauf bedacht ist, die Leiter einer Gemeinde zu Fall zu bringen, dann deshalb, weil er weiss, dass er damit umso mehr Schaden für die Gemeinde anrichten kann. Zu seinen Fallen gehört zum Beispiel die Gier nach Geld und Reichtum (1.Tim 6,9). Das hat schon manchen Leiter einer Gemeinde oder eines Missionswerkes zu Fall gebracht. Des Weiteren gehören Widerspenstigkeit und Unnüchternheit zu den beliebten Fallstricken des Teufels (2.Tim 2,25-26).
Der Zusammenhang der Texte zeigt uns, dass nicht nur Verantwortliche in der Gemeinde, sondern jeder Christ in ständiger Gefahr steht und nicht wachsam genug sein kann.
Von Norbert Lieth