31.01.2011

1. Timotheus 1,1-2: Einführung in den ersten Pastoralbrief

Der 1. Timotheusbrief ist ein sogenannter Pastoralbrief. Darin zeigt der Apostel Paulus auf, «wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit» (3,15). Lesen Sie hier den ersten Teil einer Auslegungsreihe zu diesem wichtigen Gemeindebrief.
Die beiden Timotheusbriefe und der Titusbrief werden als Pastoralbriefe (Hirtenbrief, Gemeindebrief) bezeichnet. Beide Männer (Timotheus und Titus) waren Mitarbeiter, die einen speziellen Dienst innerhalb der lokalen Gemeinde taten. Die drei Briefe haben eine ähnliche Struktur bzw. einen ähnlichen Inhalt (z.B. Lehrdienst, Gebet, Stellung der Frau, Leiterschaft). Und in allen drei Briefen gibt Paulus Anweisungen über die Aufsicht innerhalb der Gemeinde, wie krankhaften Entwicklungen entgegengewirkt wird und wie wichtig die gesunde Glaubenslehre ist. Dabei kann man 1. Timotheus 3,15 als Schlüsselvers für alle drei Briefe bezeichnen: «Wenn ich aber zögere, auf dass du wissest, wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit.» Die Gemeinde ist also:
– Haus Gottes.
– Versammlung des lebendigen Gottes.
– Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit.
Paulus schrieb den ersten Brief an Timotheus, der sich in Ephesus befand, um 62-64 n.Ch. wahrscheinlich in der damaligen griechischen Provinz Mazedonien (1.Tim 1,3). Hauptthema ist die gesunde Lehre innerhalb der Gemeinde. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Brief. Wenn wir beachten, wie oft das Wort Lehre, lehren oder Lehrer vorkommt, dann wissen wir automatisch, worauf der Heilige Geist innerhalb der Gemeinde (der Versammlung der Christen) den Schwerpunkt legt (1.Tim 1,3.7.10; 2,7; 3,2; 4,1.6.11.13.16; 5,17; 6,1.2.3).
Es ist geradezu auffallend, dass Paulus innerhalb der Gemeinde nicht zur Evangelisation aufruft, sondern die Lehre betont – «wie man sich verhalten soll im Hause Gottes» (3,15). Wenn wir berücksichtigen, dass dieser Brief ein Gemeindebrief (Pastoralbrief) ist, voll von Ratschlägen und Anweisungen für einen jungen Gemeindehirten, und den Schwerpunkt «Lehre» beinhaltet, dann schliessen wir daraus, welche Priorität der Heilige Geist für die Gemeinde setzt. Und wir erkennen, was der Herr in unserem Leben verwirklicht sehen will.
Der Gemeindegottesdienst ist kein Ort evangelistischer Botschaft, sondern ein Ort der Unterweisung für Gläubige. Evangelistische Veranstaltungen sollten gesondert durchgeführt werden. «Deshalb wollen wir das Wort vom Anfang des Christus lassen und uns der vollen Reife zuwenden und nicht wieder einen Grund legen mit der Busse von toten Werken und dem Glauben an Gott» (Hebr 6,1). Je mehr die Gemeinde in der Lehre unterwiesen wird, desto besser werden die Glieder motiviert und ausgerüstet, im Alltag ihre Mitmenschen mit dem Evangelium zu erreichen.
Die Apostel evangelisierten in Synagogen, Häusern und auf öffentlichen Plätzen. Wenn aber eine Gemeinde entstanden war, konzentrierten sie alle Mühe darauf, diese zu unterrichten und durch die Gemeindeglieder kamen dann wieder andere zum Glauben. Wenn wir wollen, dass Menschen zum Glauben an Jesus Christus finden, müssen wir Wert darauf legen, die Gemeinde in der biblischen Lehre zu unterrichten. «Sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und in den Gebeten» (Apg 2,42; vgl. 11,26 – Antiochia; 18,11 – Korinth; 20,31 – Ephesus).
Als Paulus evangelisierte, ging er «in die Synagoge und trat öffentlich auf, indem er drei Monate lang Gespräche führte und sie zu überzeugen versuchte von dem, was das Reich Gottes betrifft» (Apg 19,8). Und hinsichtlich der Lehre in der Gemeinde lesen wir dann: «Da aber etliche sich verstockten und sich weigerten zu glauben, sondern den Weg vor der Menge verleumdeten, trennte er sich von ihnen und sonderte die Jünger ab und hielt täglich Lehrgespräche in der Schule eines gewissen Tyrannus. Das geschah zwei Jahre lang, sodass alle, die in der Provinz Asia wohnten, das Wort des Herrn Jesus hörten, sowohl Juden als auch Griechen» (V 9-10).
In manchen Gemeinden wird der Gottesdienst «missbraucht», um Sonntag für Sonntag die Aussenstehenden evangelistisch zu erreichen. Das ist ein fataler Fehler, der langfristig weniger bringt als der Unterricht für die Gemeinde. In der Regel bekehren sich Menschen durch Einzelkontakte mit Gläubigen. Und wenn diese gut unterrichtet sind, können sie umso mehr ausrichten. «Denn während ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, habt ihr wieder nötig, dass man euch lehre, was die Anfangsgründe der Aussprüche Gottes sind; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben und nicht feste Speise. Denn jeder (hier wird der Einzelne herausgefordert), der noch Milch geniesst, ist richtiger Rede unkundig, denn er ist ein Unmündiger; die feste Speise aber ist für Erwachsene, die infolge der Gewöhnung geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten wie auch des Bösen» (Hebr 5,12-14).
Der Gruss: «Paulus, Apostel Jesu Christi nach dem Befehl Gottes, unseres Retters (Heilands), und des Herrn Jesus Christus, der unsere Hoffnung ist, an Timotheus, mein echtes Kind im Glauben: Gnade, Barmherzigkeit, Friede sei mit dir von Gott, unserem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn!» (1.Tim 1,1-2).
Vers 1 ist eine deutliche Anspielung auf die Einheit Gottes mit dem Sohn (V 17 macht ebenfalls darauf aufmerksam). Gott wird als Heiland (Retter) bezeichnet. In dieser Weise stellte Er sich bereits im Alten Testament vor: «Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland» (Jes 43,3). In 2. Timotheus 1,10 und Titus 1,4 wird dasselbe Wort für Jesus verwendet. Jesus selbst hat diese Einheit ja schon den Juden gegenüber betont (Joh 10,30).
Vers 2 stellt die enge Beziehung des Paulus zu Timotheus dar. Timotheus wird hierin von Paulus als sein echtes Kind im Glauben begrüsst. Das lässt darauf schliessen, dass er sich durch den Dienst von Paulus bekehrt hat. Für Timotheus gibt es noch weitere Bezeichnungen:
– «Gehilfe» (Apg 19,22).
– «Mitarbeiter» (Röm 16,21).
– «Geliebtes und treues Kind im Herrn» (1.Kor 4,17).
– «Arbeiter im Werk des Herrn» (1.Kor 16,10).
– «Bruder» (2.Kor 1,1; Kol 1,1; Phlm 1).
– «Verkündiger» (2.Kor 1,19).
– «Knecht Christi» (Phil 1,1).
– «Gottes Diener» (1.Thess 3,2).
– «Mein Sohn» (1.Tim 1,18).
Zudem beschreibt ihn Paulus als einen «ausserordentlichen Mitarbeiter»: «Ich hoffe aber in dem Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu senden, damit auch ich ermutigt werde, wenn ich erfahre, wie es um euch steht. Denn ich habe sonst niemand von gleicher Gesinnung, der so redlich für eure Anliegen sorgen wird; denn sie suchen alle das Ihre, nicht das, was Christi Jesu ist! Wie er sich aber bewährt hat, das wisst ihr, dass er nämlich wie ein Kind dem Vater mit mir gedient hat am Evangelium» (Phil 2,19-22).
Timotheus hatte viele ehrenhafte Bezeichnungen, doch ein Titel fehlte ihm; er wird nirgends «Apostel» genannt. Im Gegenteil, er wird immer deutlich davon unterschieden (vgl. 2.Kor 1,1; Kol 1,1). Diese Unterscheidung zeigt, dass das apostolische Amt einzigartig und nicht übertragbar war. Denn wenn es übertragbar gewesen wäre, was wäre näherliegender gewesen, als es den engsten Mitarbeitern wie Timotheus, Titus, Barnabas, Markus oder Silas zu übergeben?
Von Norbert Lieth