30.11.2010

Mit Freuden in den Tod

Nein … der Beitrag wird keineswegs so makaber, wie es der Titel vermuten lässt; ich möchte lediglich auf einen Mann aufmerksam machen, der tatsächlich mit Freuden dem Tod – oder sollte ich vielmehr sagen, dem ewigen Leben – ins Auge blickte.
«Und siehe, es war in Jerusalem ein Mensch, mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels; und der Heilige Geist war auf ihm. Und ihm war von dem Heiligen Geist eine göttliche Zusage zuteilgeworden, dass er den Tod nicht sehen solle, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe. Und er kam durch den Geist in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm nach der Gewohnheit des Gesetzes zu tun, da nahm auch er es in seine Arme und lobte Gott und sprach: Nun, Herr, entlässt du deinen Knecht nach deinem Wort in Frieden; denn meine Augen haben dein Heil gesehen, das du bereitet hast im Angesicht aller Völker: ein Licht zur Offenbarung für die Nationen und zur Herrlichkeit deines Volkes Israel» (Lk 2,25-32).
Jetzt stellen Sie sich einmal vor, dass Ihnen gesagt würde: «Solange du diesen nicht sehen wirst, wirst du nicht sterben. Aber sobald du ihn erblicken wirst, steht dein Tod unmittelbar bevor.» Und siehe da, nach einiger Zeit erblicken Sie jenen, von dem die Rede war. Und Ihre Reaktion? «Welch eine Freude, welch ein Jubel...»? Wären nicht die allermeisten von uns schockiert, in panischer Angst? Aber Simeon war schier ausser sich vor Freude, weil er wusste, dass der Erlöser gekommen war: «Mein Lebenssinn ist erfüllt, nun darf ich mit Freuden dem Heiland entgegentreten.»
Simeon war ein gerechter und gottesfürchtiger Mann, der auf das Kommen des Messias hoffte und vertraute. Zudem war er als gläubiger Mann regelmässig im Tempel. Doch an diesem Tag, als Simeon dem Messias begegnen sollte, lag wahrscheinlich bereits eine grosse Spannung in der Luft. Vielleicht war er sogar unruhig und nervös. Simeon mag gespürt haben: «Irgendetwas ist besonders an diesem Tag.» Es war nicht wie sonst, als er den Tempel betrat. Ja, mehr noch, vielleicht wollte Simeon ursprünglich an diesem Tag und zu dieser Stunde gar nicht in den Tempel gehen, aber irgendetwas trieb ihn und liess ihn nicht los. Und dann war es soweit! Als Maria und Josef mit dem kleinen Buben namens Jesus hereinkamen, erkannte Simeon sofort, dass dieses Kind der Messias war. Ich frage mich, woran er dies erkannte. Mit Sicherheit befanden sich auch noch andere Eltern mit ihren Söhnen im Tempel, und Simeon war garantiert nicht im Besitz eines Phantombildes oder eines Fotos. Es war der Heilige Geist, der ihm diese Tatsache aufzeigte, sein Herz bewegte und ihn den Messias erkennen liess. Oh ja, wer den Herrn aufrichtigen Herzens sucht, von dem wird Er sich auch finden lassen! «Ich liebe, die mich lieben; und die mich suchen, finden mich» (Spr 8,17; vgl. Mt 7,7). Simeon jedenfalls wusste: dieses Kind – und nur dieses Kind – war der verheissene Messias. Was muss das für ein Gefühl gewesen sein, den verheissenen Erlöser zu sehen und zu wissen: der Heiland, der Retter, der Gesalbte, hat die Bühne der Welt- und Heilsgeschichte betreten. Aber damit einhergehend wusste Simeon auch, dass sein letztes Stündlein hier auf Erden geschlagen hatte. Ich bin allerdings sicher, dass Simeon deswegen keine Angst hatte, dass ihn keine Panik überfiel, nein, ganz im Gegenteil, er hatte Frieden darüber. Die Freude überragte alles und stellte seine irdischen Freuden und Wünsche gänzlich in den Schatten. Ja, bei Simeon hat der Spruch «Er ruht in Frieden!» wahrlich und wahrhaftig seine Berechtigung.
Was, lieber Leser, soll Ihnen das alles sagen? Wenn Sie ein Kind Gottes sind, so steht Ihnen das Schönste noch bevor: Die Begegnung mit unserem Herrn und Heiland, die alles Irdische nicht nur in den Schatten stellen wird, sondern sogar alles Vergangene vergessen lässt. Die Gewissheit, dereinst beim Herrn sein zu dürfen, nimmt dem Tod seinen Schrecken. «Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden» (Röm 6,8).
Von Thomas Lieth